Hafiz – Was bleibt nun anderes zu tun als ewiglich zu tanzen?

Hafiz Tanze

Hafiz – Ein persischer Dichter, der nach 700 Jahren die Herzen westlicher Leser berührt
von Divya Doris Schang

1995 begann mit Coleman Barks neuen Übertragungen des Dichters Rumi der Siegeszug dieses Sufimystikers in den USA und machte ihn binnen kurzem zum beliebtesten Dichter Amerikas. Der Divan des persische Dichter Hafiz, der nur hundert Jahre nach Rumi gelebt hat, ist in Persien interessanterweise populärer als Rumi. Er findet sich auf nahezu jedem Bücherregal neben dem Koran und sein Ruhm verbreitete sich bereits zu Lebzeiten bis nach Indien, Kaschmir, Byzanz, Kleinasien und China. Hafiz hatte im Westen zwar bereits Goethe und Emerson im 19.Jh. zutiefst inspiriert – Goethe nannte ihn seinen „Zwilling“ – , doch waren seine Übersetzungen hierzulande oft eher akademischen Kreisen und Liebhabern bekannt. Dies änderte sich zumindest in Amerika, als Daniel Ladinsky, inspiriert durch die Nachfolge Meher Babas, 1996 begann, frei von einer englischen Textgrundlage ausgehend die Essenz und Inspiration dieses beliebten Dichters in einer zeitgemäßen Sprache neu einzufangen. Zwischen 2011 und 2013 erschien eine Auswahl dieser zärtlich-kühnen Poesie endlich in deutscher Sprache: „Ich hörte Gott lachen“ im Arbor Verlag sowie „Mein Herz im Spiegel Deiner Augen“ und „Die leuchtenden Worte meines Geliebten“ im Theseus Verlag. Das Ensemble „Goldhauch“ zeigt künstlerische Performances mit Hafiz-Gedichten, Musik und Tanz und lässt sich für Seminare, Tagungen, Festivals, Konferenzen, Eröffnungsfeiern und Feste engagieren (www.goldhauch.de).

Meine Arbeit in meiner göttlichen Werkstatt
Besteht darin,
Die Wahrheit zu zeichnen,

Damit das Bild Gottes immer getreuer wird,
Und die grausamen Mauern einzureißen,
Die dich von der Zärtlichkeit des Feuers trennen.

Hafiz lebte von 1320 bis 1389 in Schiraz im Süden des heutigen Iran. Er erhielt den Namen Shams-du-din Muhammad und später nannte man ihn Hafiz („der etwas im Gedächtnis bewahrt), ein Titel, der jemandem verliehen wird, der den Koran auswendig beherrscht.

Sein Vater, ein Kohlehändler, starb, als Hafiz noch ein Jugendlicher war, und hinterließ die Familie in armen Verhältnissen. So arbeitete Hafiz zunächst bei einem Tuchhändler und dann bei einem Bäcker und besuchte abends die Schule. Er meisterte das koranische Recht, die Theologie, Grammatik, Mathematik und Astronomie sowie die Kalligraphie und war ebenso mit den Werken der großen persischen Dichter vertraut.

5000 Ghazals oder Liebesgedichte

Schon früh zeigte sich sein dichterisches Talent, das ihm die Schirmherrschaft von Herrschern und Adligen einbrachte. Er wurde u.a. Hofdichter von Abu Ishak und Shah Shoja

Hafiz BriefmarkeDer Legende nach war hatte er mit 21 Jahren ein tiefes Berufungserlebnis. Er verliebte sich in ein wunderschönes adliges Mädchen namens Shakh-e-Nabat, zu der eine Beziehung aufgrund des Standesunterschieds aussichtslos war. Er verfasste sehnsüchtige Liebeslieder an sie, die in ganz Schiraz berühmt wurden. Es hieß, wenn man 40 Nächte am Grab des Heiligen Baba Kuhi Nachtwache halte, würde ein Herzenswunsch erfüllt. Aus seiner Liebe zu Shakh-e.Nabat unterzog er sich dieser harten Übung. Am 40. Tag erschien ihm der Engel Gabriel und fragte ihn nach seinem Wunsch. Hafiz hatte noch nie zuvor so ein herrliches, strahlendes Wesen erblickt. Er dachte: „Wenn Gottes Bote schon so schön ist, um wie viel schöner muss Gott selbst sein?“ Angesichts des Glanzes von Gottes Engel, vergaß er das Mädchen und seinen Wunsch völlig und sagte: „Ich wünsche mir Gott!“ Daraufhin führte Gabriel ihn zu einem spirituellen Lehrer, Attar von Schiraz (nicht zu verwechseln mit dem berühmten Farid-uddin Attar von Nishapur). Eine andere Überlieferung spricht davon, dass Hafiz am Grab des Heiligen in einer Vision himmlisches Brot durch Ali, den Schwiegersohn des Propheten, gereicht wurde.

Attar führte nach außen ein normales Leben und hatte nur einen kleinen geheimen Schülerkreis. Er öffnete Hafiz die Augen für alle Formen der Liebe und ermutigte ihn, sie in seiner Dichtung zu besingen. Er mahlte jedoch auch das Ego seines Schülers zu Staub. Im Alter von 60 Jahren soll Hafiz in verzweifelter Sehnsucht nach Gott erneut eine vierzigtägige Nachtwache eingehalten haben. Am Morgen des 40. Tages – genau vierzig Jahre, nachdem er seinen Meister getroffen hatte – ging er zu Attar, und der Meister schenkte ihm die Erfahrung der göttlichen Vereinigung.

Hafiz soll um die 5000 Ghazals oder Liebesgedichte verfasst haben. Sie wurden erst später niedergeschrieben und nur etwa 500 sind noch erhalten. Sein Divan oder lyrisches Lebenswerk ist im Iran nach dem Koran das meistgelesene Werk. Man kennt auch heute noch viele Verse auswendig und benutzt sie oft als Orakel.

Hafiz nennt sich häufig „rend“, was „Freigeist, Vagabund, loser Vogel, Hippie“ bedeutet, jemanden, der das Leben und die Liebe ungebunden feiert, ein rebellischer Gläubiger, der der eigenen Inspiration folgt. Er drückte die Sehnsucht nach Gott oft durch erotische Bilder aus und konnte dadurch zweideutig verstanden werden, weltlich oder mystisch; ja, er spielte bewusst mit dieser Ambivalenz und besaß auch viel Schalk. Viele Sufi-Schulen bedienten sich zur Geheimhaltung einer Symbolsprache. „Wein“ stand für die Liebe, die „Taverne“ für die Sufi-Schule, „Nachtigall und Rose“ für den Liebenden und den Geliebten. Die spirituellen Schüler wiederum wurden als Bettler, Halunken, Kurtisanen oder berauschte Wanderer beschrieben. Der Koran und die altiranische Sagenwelt hatten dennoch einen wichtigen Einfluss auf seine Bilder. Auch seine Preisgedichte, die etwa ein Viertel seiner Gedichte ausmachen, konnten oft als Huldigung an den jeweiligen Herrscher oder an den göttlichen Geliebten verstanden werden.

Wir sind schon so, so lang in Gott verliebt

Ich bin glücklich,
noch bevor ich einen Grund dazu habe.

Ich bin voller Licht, noch bevor der Himmel
Sonne oder Mond begrüßen kann.

Liebe Gefährten,
Wir sind schon so, so lang in Gott verliebt.

Was bleibt Hafiz nun anderes zu tun
Als ewiglich zu tanzen?

Hafiz sah keinen Unterschied zwischen Moschee, Kirche und Feuertempel, solange nur „der Freund“ (Gott) nahe ist. Er war aber für viele Fundamentalisten eine Herausforderung und wurde auch zeitweilig vom Hof verbannt. Er hatte einen treuen Kreis von Gefährten und Schülern, denen er Lehrer und Berater war.

Hafiz starb friedlich etwa im Jahr 1389. Erst wollten ihm die orthodoxen Schriftgelehrten die moslemische Beisetzung verweigern, doch die Bevölkerung von Schiraz protestierte. So wurde ein Junge aufgefordert, einen Vers zu ziehen, nach dem man sich dann richten würde. Darin hieß es dann: „Verurteilt weder den toten Hafiz noch sein Leben; mag er auch fehlgegangen sein, wartet dennoch der Himmel auf ihn.“ Hafiz hatte vorausgesagt, dass sein Grabmal einmal zum Wallfahrtsort aller „rend“ (Freigeister) werden würde. Später zollten große westliche Dichter wie Goethe, Emerson, Nietzsche, Puschkin, Garica Lorca u.a. Hafiz ihre Verehrung.

Daniel Ladinsky betont, dass seine Gedichte Übertragungen und keine Übersetzungen sind. Er schreibt: „Ich habe mir an manchen Stellen die Freiheit genommen, einige Zeilen eher durch ein ‚nächtliches Jazzsaxophon‘ zu spielen als durch eine Tempeltrommel … Mein Ziel besteht darin, Ihnen den erstaunlichen Geist von Hafiz, der ein Lächeln auf Ihre Lippen zaubert, direkt in den Schoß zu legen …“. Hafiz besteht darauf, dass Gott unser Freund und Geliebter ist, ganz nah und voller Liebe, Zärtlichkeit und Fürsorge. So schließt Daniel Ladinsky mit den Worten:

„Mögen diese Gedichte dazu beitragen, die Wahrheit der spielerischen Natur Gottes, Seines Lichts und Seiner vollendeten Vertrautheit mit uns zu offenbaren.“

Göttlichen Einladung

Ihr seid zu einem Treffen,
Mit dem FREUND geladen.
Niemand kann sich einer Göttlichen Einladung entziehen.
So bleiben euch nur zwei Wege:
Entweder kommen wir zu Gott,
Geschmückt zum Tanz,
Oder:
Wir werden auf einer Bahre
In Sein Krankenhaus getragen!

Links:

Bücher auf Deutsch – Übersetzung aus dem englischen von Divya Doris Schang

Mein Herz im Spiegel deiner Augen: Gedichte inspiriert von Hafiz
Ich hörte Gott lachen: Gedichte inspiriert von Hafiz
Die leuchtenden Worte meines Geliebten: Inspiriert von Hafiz

Books in english by Daniel Ladinsky:

The Gift: Poems by a Great Sufi Master (Compass)
I Heard God Laughing: Poems of Hope and Joy
The Subject Tonight Is Love: 60 Wild and Sweet Poems of Hafiz (Compass)

Selected Poems:

www.poetseers.org

Titel-Photo: www.fotolia.com

Print Friendly, PDF & Email

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Post Navigation

Networker for a Change Global Mindshift Website Story of Stuff Global Oneness Project Noetic Sciences WebSite

Cybermondo.net - Networker for a Change