
In einer Welt, in der Frauen kaum gehört wurden, ging Theresa von Ávila (1515–1582) ihren ganz eigenen Weg – mutig, radikal und zutiefst spirituell. Sie war nicht nur Nonne, sondern Visionärin, Reformerin und spirituelle Lehrerin, die bis heute Menschen auf der Suche nach innerer Tiefe inspiriert.
Theresa glaubte an eine direkte, persönliche Verbindung zu Gott – frei von Äußerlichkeiten, voller Herz, Stille und Bewusstheit. Ihre innere Reise beschreibt sie in der Seelenburg als einen Weg nach innen: durch verschiedene Räume der Seele, vorbei an Ablenkung, Zweifel und Angst – hin zu einem inneren Zentrum, in dem nur Liebe und Klarheit herrschen.
Was sie lehrte, war nicht frommer Rückzug, sondern echtes inneres Wachstum. Für Theresa war Gebet kein Pflichtprogramm, sondern ein inneres Gespräch mit dem Göttlichen – lebendig, ehrlich, manchmal unbequem, aber immer transformierend.
Trotz vieler Widerstände, auch aus kirchlichen Kreisen, folgte sie ihrer inneren Stimme. Sie gründete Klöster, reformierte den Karmeliterorden und lebte, was sie glaubte: dass echte Spiritualität Mut braucht, Selbstkenntnis, und ein offenes Herz.
Heute, in einer Zeit, in der viele Menschen sich nach Tiefe, Stille und Sinn sehnen, ist Theresa aktueller denn je. Sie zeigt uns: Wahre spirituelle Entwicklung beginnt in uns selbst – still, radikal und voller Liebe.
Gebet des älter werdenden Menschen von Theresa von Avila
O Herr, bewahre mich vor der Einbildung,
bei jeder Gelegenheit und zu jedem Thema
etwas sagen zu müssen.
Erlöse mich von der großen Leidenschaft,
die Angelegenheiten anderer ordnen zu wollen.
Lehre mich, nachdenklich, aber nicht grüblerisch,
hilfreich, aber nicht diktatorisch zu sein.
Bewahre mich vor der Aufzählung endloser
Einzelheiten und verleihe mir Schwingen,
zur Pointe zu gelangen.
Lehre mich schweigen über meine Krankheiten und
Beschwerden.
Sie nehme zu, und die Lust, sie zu beschreiben,
wächst von Jahr zu Jahr.
Ich wage nicht, die Gabe zu erflehen,
mir die Krankheitsschilderungen anderer
mit Freude anzuhören, aber lehre mich,
sie geduldig zu ertragen.
Lehre mich die wunderbare Weisheit,
dass ich mich irren kann.
Erhalte mich so liebenswert wie möglich.
Lehre mich, an anderen Menschen unerwartete
Talente zu entdecken, und verleihe mir, o Herr,
die schöne Gabe, sie auch zu erwähnen.