Noetic Institut – Feldforschung an den Grenzen des Bewusstseins

Ein Interview mit Dr. Marilyn Schlitz vom Noetic Institut
Von Elizabeth Debold aus EnlightenNext Magazin

Marilyn SchlitzWenn du einem Schokoriegel positive Wünsche sendest, verbessert das die Stimmung von dem, der ihn isst? Können die Emotionen eines Menschen das Bauchgefühl eines anderen beeinflussen? Kann die Physiologie eines Krebspatienten von einer geliebten Person, die in mitfühlender Intention geschult ist, beeinflusst werden? Dies sind nur einige der faszinierenden Fragen, die das Institute of Noetic Sciences (IONS) unter der Leitung von Dr. Marilyn Schlitz beantwortet hat. Die tiefere Untersuchung, die diesen einzigartigen Experimenten zugrunde liegt, konzentriert sich allerdings auf die Kraft des Bewusstseins und die Beziehung von Geist und Materie. In den vergangenen drei Jahrzehnten hat Schlitz mehr als zweihundert Artikel zu Psi-Forschung (übersinnliche oder paranormale Fähigkeiten), interkultureller Heilung, Bewusstseinsstudien, Fernheilung und Kreativität veröffentlicht. Während ihrer bemerkenswert produktiven Laufbahn hat sie die Grenzen dessen erweitert, was wissenschaftlich über die Natur der Realität bewiesen werden kann – und dabei deutlich gemacht, wie eng Geist und Körper, Bewusstsein und Materie tatsächlich miteinander verbunden sind.

Schlitz, eine ausgebildete medizinische Anthropologin, hat gerade ihr erstes Jahr als Präsidentin des Instituts hinter sich, wo sie vorher mehr als ein Jahrzehnt als leitende Wissenschaftlerin und Vizepräsidentin der Forschung tätig gewesen war. IONS ist das perfekte Zuhause für die bahnbrechenden Bewusstseinsstudien, die Schlitz mit einer „spirituellen Praxis“ verbindet. 1973 durch den Astronauten Edgar Mitchell gegründet, verwendet das Institut wissenschaftliche Methoden, um die Beziehung zwischen Innerem und Äußerem, zwischen subjektiven und objektiven Bereichen zu erforschen und zu beleuchten. IONS’ ambitionierte und kühne Mission ist es, seine Ergebnisse als Katalysatoren für individuelle wie auch kollektive Transformation zu nutzen.

Schlitz ist eine ungewöhnliche Kombination aus geerdeter Empirikerin, großherziger Humanistin und weitsichtiger Visionärin. Zugleich ist sie eine hartgesottene Rationalistin, wie man sie selten findet, die ernsthaft bemüht ist, Ideen jenseits des Außergewöhnlichen zu untersuchen. Ihre Forschungsinteressen begannen mit interkulturellen Methoden der Heilung. Sie hat ihre Einsichten über die Beziehung von Geist, Körper und Kultur in ihre Lehrtätigkeit an der Harvard Medical School, der School of Medicine an der Universität von New Mexico und dem California Pacific Medical Center eingebracht, in welchen sie eine leitende Wissenschaftlerin ist. Als begehrte Dozentin, die für ihre Fähigkeit, komplexe Ideen in allgemeine Sprache zu übersetzen, sehr geschätzt wird, hat sie Reden vor der UNO, der Smithsonian Institution (amerikanische Forschungs- und Bildungseinrichtung) und dem Explorers Club gehalten. Aber sie sieht ihre Mission auch darin, über die akademischen Wissenschaften hinauszugehen, um zu gewährleisten, dass sich ein größeres Publikum dieser neuen Befunde über die Komplexität von Geist, Wissenschaft und Gesellschaft bewusst ist. Und tatsächlich hat Schlitz’ Botschaft kürzlich ihren Weg in das Herz der Mainstreamkultur gefunden – Dan Brown, der Autor von Sakrileg – Der Da Vinci Code, platzierte ihre Untersuchungen und einen frei auf ihrer Person basierenden Charakter im Zentrum der Dramaturgie seines letzten Thrillers Das verlorene Symbol. In diesem Interview führt uns Dr. Schlitz in ihre kreative und produktive Welt und lässt uns daran teilhaben, wie sie die geradlinigen Werkzeuge der Wissenschaft benutzt, um die multidimensionalen Mysterien des Bewusstseins aufzudecken.

EnlightenNext: Sie betreiben seit über fünfzehn Jahren innovative Forschung am Institute of Noetic Sciences (IONS), um die Grenzen wissenschaftlicher Untersuchung auszuweiten – zunächst als Forscherin und inzwischen als Leiterin. Fangen wir mit den Grundlagen an: Was verstehen Sie unter „noetischen Wissenschaften“?

Marilyn Schlitz: Nun, die einfache Definition von „noetisch“ ist direktes Erkennen. William James hat die Noetik in poetischen Worten wie folgt beschrieben: als „Zustände der Erkenntnis der tiefsten Wahrheiten, ungetrübt vom wechselhaften Intellekt. Erleuchtungen, Offenbarungen, voller Bedeutung und Wichtigkeit, die, obwohl sie unfassbar bleiben, in der Regel eine erstaunliche Autorität in sich tragen …“. Das ist eine wunderbare Erklärung für diese unaussprechlichen, unbeschreiblichen Erfahrungen, die zur Transformation führen. Die noetischen Wissenschaften bilden eine Brücke zwischen diesen Momenten der Einsicht, Eingebung, Transformation oder Offenbarung und der wissenschaftlichen Perspektive, die uns erlaubt, die Genauigkeit und das Urteilsvermögen anzuwenden, die für die wissenschaftliche Methode charakteristisch sind.

EN: In dieser Ausgabe von EnlightenNext untersuchen wir, was uns die Wissenschaft über den Zusammenhang zwischen Geist und Materie zu sagen hat. Was haben Sie in Ihrer Forschung darüber herausgefunden?

MS: Schon seit 30 Jahren interessiert mich die Kraft und das Potenzial von Bewusstsein – so würde ich „Geist“ bezeichnen, um den Rahmen etwas zu erweitern. Ich wollte unbedingt herausfinden, wie kraftvoll Bewusstsein ist. In eher konventionellen Bereichen fangen wir gerade erst an, die Verbindung oder Korrelation zwischen dem Bewusstsein und der physischen Welt als Einheit zu verstehen, als Körper-Geist. Wir wissen so viel über die negativen Auswirkungen von Stress auf den Körper, gleichzeitig wissen wir aber auch, dass Menschen sich selbst regulieren können. Sie können sich Stress bewusst machen und Methoden und Fähigkeiten entwickeln, um ihn in etwas umzuwandeln, was das Leben bereichert. Sie treffen also bewusste Entscheidungen, die helfen können, ihre Physiologie und ihre körperlichen Reaktionen zu verändern. Menschen, die anfangen, ihren Körper zu regulieren, können letztlich mehr Harmonie in Bezug auf ihre bewussten Erfahrungen entwickeln.
Ferner können wir über die Relation zwischen Bewusstsein und Materie auch im Zusammenhang mit Beziehungen und im Sinne des Intersubjektiven nachdenken: Meine Subjektivität und Ihre Subjektivität kommen zusammen und dadurch ändern sich die Dinge für uns. Zum Beispiel gibt es den Placebo-Effekt und/oder den Nocebo-Effekt – die negativen Folgen von Absichten oder Erwartungen. Die Forscher sagen uns, dass die Absicht oder Erwartung einer Person auf verschiedenste Weisen einen messbaren Effekt auf eine andere Person haben kann, ohne dass eine bewusste Vermittlung zwischen ihnen stattfindet, lediglich durch die stillschweigenden Annahmen in der gemeinsamen Sprache. Jemand sagt zu einem anderen so etwas wie: „Du hast eine unheilbare Krankheit und wirst nächste Woche sterben.“ Es kann aber auch noch subtiler sein, wie „Du bist ein schlechter Mensch“ oder „Du bist nicht klug“. Zum Beispiel wurde eine ganze Reihe von Experimenten durchgeführt, bei denen die Erwartungen von Lehrern an die Klasse manipuliert wurden. Wenn sie dachten, dass bestimmte Kinder dumm seien, dann hatten diese Kinder am Ende des Jahres schlechtere Noten als die Kinder, von denen die Lehrer annahmen, sie seien klug. Das ist eine weitere Ebene, auf der das Bewusstsein in die physische Welt eingreift.

Als Nächstes kann man noch untersuchen, ob es Möglichkeiten gibt, in denen das Bewusstsein oder der Geist physische Grenzen und sensorische Kommunikation überschreitet. Als ich damals an der Mind Science Foundation in San Antonio, Texas, und dann später hier am Institute of Noetic Sciences war, legten wir Versuchsanordnungen fest, mit denen wir im Versuchslabor Erfahrungen untersuchen konnten, die Menschen mit Heilern gemacht hatten, zum Beispiel, dass Heiler andere Menschen aus der Ferne beeinflussen können. Um das zu tun, mussten wir all die Erklärungen beachten, die ich schon genannt habe: Selbstregulierung, Erwartung von Fakten oder sonstige Umweltfaktoren, die zwischen zwei Menschen vermitteln können. Wir wollten in unseren Versuchen sehen, ob da noch etwas anderes stattfindet.

Also haben wir für diese Experimente eine Person ins Labor eingeladen – einen Heiler, ein Medium oder einen Forscher – und einen Freiwilligen, der sich in einem anderen Raum aufhielt. Hier am Institute of Noetic Sciences haben wir einen elektromagnetisch sehr stark abgeschirmten Raum. Die Versuchsperson befindet sich in diesen abgeschirmten Raum und ihre Physiologie wird überwacht. Wir messen etwa Herzfrequenz und Atmung, die im Körper automatisch, ohne bewusste Einflussnahme, ablaufen. In einem anderen Raum ist die andere Versuchsperson, die an zufällig ausgewählten Zeitpunkten während des Experiments versucht, die Körperreaktionen der nicht anwesenden Person zu beeinflussen. Das machen wir meist, indem wir auf einem Bildschirm ein Bild dieser Person einblenden, sodass der „Sender“ dieses Bild an zufällig ausgewählten Momenten während des Versuchs sehen kann. Das ist eine ausgeglichene, zufallsgesteuerte Versuchsanordnung. Wir haben in unserem Labor herausgefunden – und das wurde von Forschungseinrichtungen auf der ganzen Welt mit vielen verschiedenen Forschern bestätigt – dass es einen signifikanten Zusammenhang zwischen den Perioden der Absicht und der Physiologie der nicht im selben Raum befindlichen Person gibt. Das legt nahe, dass die Dualität von Geist und Materie bzw. Bewusstsein und physischer Welt auf einer Ebene der Erfahrung wahr ist und auf einer anderen nicht. Die Forschungen im Labor belegen jedenfalls, dass es im Prinzip eine Verbindung gibt, die jede einfache Kategorisierung überschreitet.

EN: Was, meinen Sie, geschieht da zwischen Bewusstsein und Materie?

MS: Nun, in der Wissenschaft beeinflussen unsere Annahmen oder unser Paradigma oder unsere Weltsicht, welche Fragen wir stellen. Unsere Fragen beeinflussen, welche Methoden wir wählen. Unsere Methoden beeinflussen schließlich unsere Antworten und unsere Antworten beeinflussen unsere Theorie. Die Annahme dabei ist, dass wir tatsächlich wissenschaftliche Versuchsanordnungen entwickeln können, die es erlauben, uns mit diesen Fragen auseinanderzusetzen. Und dabei müssen wir von bestimmten Annahmen ausgehen, um einen Versuch so zu gestalten, dass er aussagekräftige Beweise liefert.

Wir stellen uns das so ähnlich wie beim Rundfunk vor. Sie schalten das Radio ein, die Wellen kommen aus dem Sender und werden von einem Empfänger aufgenommen. Es gibt also den Sender und den Empfänger. Metaphorisch gesprochen trifft das auch für die Anordnung des Experimentes zu. Aber in Wirklichkeit geht es bei unserer Analyse um die Zusammenhänge. Wir suchen also nach dem Zusammenhang zwischen der Absicht einer Person und der physiologischen Reaktion der anderen Person. Dieser ist nicht ursächlich. Wir zeigen nicht, dass das Bewusstsein eine Veränderung verursacht. Im Labor können wir zeigen, dass es einen Zusammenhang zwischen der Intention einer Person und den physiologischen Reaktionen einer anderen Person gibt. Ich möchte die Quantenphysik nicht zu sehr betonen (die in letzter Zeit oft überstrapaziert wurde), doch wir bekommen täglich neue empirische Daten, die die Annahmen der Quantentheorie untermauern. In der Quantenphysik gibt es die Vorstellung des Zusammenhangs und der Verknüpfung von Partikeln, zumindest auf subatomarer Ebene. Aber jetzt tauchen einige neue Studien auf, die Quantenprozesse auch auf der Makroebene nachweisen: in Zellen unter warmen, feuchten Lebensbedingungen. Wenn sich diese Daten tatsächlich bestätigen, steht ein Rahmen zur Verfügung, innerhalb dessen man unsere Ergebnisse als eine Art verknüpftes System verstehen kann, das zu Zusammenhängen unter Bedingungen führt, die den üblichen sensorischen Austausch von Informationen ausschließen.

EN: Welche Konsequenzen hat das?

MS: Das ist eine sehr komplexe Frage. Wir leben mit dem Erbe der Renaissance und der politischen Übereinkunft, die damals aus guten und schlechten Gründen geschlossen wurde und die besagt, dass Wissenschaft und Seele voneinander zu trennen sind. Descartes nahm den Körper und die Kirche besaß den ganzen Rest. Das hat schließlich zu einer Weltsicht geführt, die uns von der Welt trennt. Wir haben die Vorstellung, das einzig gültige Wissen sei objektiv und man müsse, um Wissenschaft zu betreiben und etwas Wirkliches herauszufinden, dieses auch berühren, schmecken, messen, manipulieren können. Diese objektive Distanziertheit des Untersuchers/Forschers zum Forschungsobjekt wurde zum Gütesiegel für Wissenschaftlichkeit. Das ist gut. Wir haben dadurch eine Menge gelernt. Aber das Problem ist, dass wir dadurch eine Welt geschaffen haben, von der wir uns abgetrennt haben.

Ich glaube, wir sind an einem Punkt, wo die Welt über die Annahmen dieses Paradigmas zu reflektieren beginnt. Auf der einen Seite ist die materialistische physikalische Wissenschaft bestimmend und entwickelt sich ständig weiter – das ist gar keine Frage! Gleichzeitig erleben wir jetzt die Entfaltung eines Paradigmas, das vor etwa hundert Jahren entstanden ist – die Quantenphysik. Aus dem Blickwinkel des vorherrschenden Paradigmas ist das noch sehr physikalisch. Einer meiner Freunde, der Quantenphysiker Hans Peter Dürr, spricht davon, wie alle nach dem Grundbaustein der Materie suchten – es wurden immer kleinere und kleinere Einheiten entdeckt, und jedes Mal dachten wir: Das ist es! Doch schließlich entdecken Wissenschaftler, dass es gar keine Elementarteilchen der Materie gibt, weil sich Materie nur in Beziehungen formt. Es ist die Beziehung zwischen den Partikeln auf der grundlegendsten Ebene, die damit beginnt, Form zu schaffen. Form entsteht also aus der Relation zwischen zunehmender Größe und zunehmender Komplexität. Und dann entwickelt sich Form zu den verschiedenen Manifestationen des Lebens.

Anstatt die Wirklichkeit als grundsätzlich zweigeteilt zu betrachten, gehe ich einmal von dieser Annahme aus und sage: Na gut, vielleicht geht es wirklich um ein Modell, das uns erlaubt, uns die Ordnung schaffenden Prinzipien des Lebens als etwas von Grund auf Verbundenes vorzustellen. Dann gibt es also diese transzendenten Aspekte unserer gegenseitigen Verbundenheit, die auf eine abstrakte Weise durch die Physik gestützt werden. Sie werden durch die Komplexitätstheorie und die Emergenztheorie unterstützt, die für einen möglichen Paradigmenwechsel stehen. Das ermöglicht es uns, das Newtonsche Modell von Ursache und Wirkung mit der Quantentheorie von Zusammenhang und Verknüpfung zu versöhnen und beides miteinander zu verbinden. So entsteht eine Brücke zwischen den verschiedenen Aspekten des Selbst. Das Ergebnis ist eine sehr interessante und spannende Interpretation unserer Forschungsdaten.

EN: Können Sie mehr dazu sagen, was das neue Paradigma bedeutet?

MS: Zunächst ist zu sagen, dass Bewusstsein aus vielerlei Gründen wichtig ist. Das weitaus meiste Leid auf diesem Planeten wird durch eine fehlerhafte Weltsicht verursacht. Wie schon gesagt, wenn wir auf die Vorstellung zurückgreifen, dass Beziehungen die Ordnung schaffenden Prinzipien sind, dann können wir in dem Maße positive Veränderungen in der Welt bewirken, wie wir das miteinander Verbundensein und die wechselseitigen Verknüpfungen erkennen und das alles mit einer gesunden Individuation verbinden. Wir leben jetzt in einer Zeit von solch enormer Komplexität, von gewaltigen Veränderungen und Konvergenz – Globalisierung auf allen Ebenen, von der gedanklichen bis zur wirtschaftlichen und politischen Ebene. Meiner Meinung nach entsteht eine Vielfalt von Weltsichten. Es ist nicht so, dass alles zu Einem wird, sondern alles wird vom Einen beeinflusst, durch Technologie, Tourismus und all die Arten, auf die wir miteinander verbunden sind. Aber es entsteht auch ein wachsender Impuls zur Ausdifferenzierung. Der Wendepunkt für ein neues Paradigma kommt als Meta-Bewusstsein oder Meta-Weltsicht, die in der Lage ist, die Vielfalt mit Großherzigkeit zu umfassen. Wir wollen nicht alle gleich sein, aber wir können eine Reihe von Fähigkeiten in uns entwickeln, die uns weniger reaktiv und dafür offener und empfänglicher machen, bereit, über den Tellerrand hinauszuschauen. So können wir, wenn jemand eine andere Sicht hat als wir, dies als einen Teil der biologischen Vielfalt schätzen, die letztlich zu einem gesunden Ökosystem führt.

Überall auf der Welt wird an diesen spannenden Entwicklungen gearbeitet. Ich finde an der heutigen Zeit so großartig, dass es diese globale – man könnte sagen – Bruderschaft unkonventioneller Wissenschaftler gibt, die diesen grundlegenden Fragen nachgehen, und zwar so rigoros und kritisch wie möglich. Dies ist ein dynamischer, ein außerordentlicher Moment. Es gibt keine vorherrschende Theorie, kein vorherrschendes Modell zur Erklärung von Bewusstsein; das ist die Herausforderung. Aber das Gute ist, dass es so viel Potenzial gibt. Wenn wir einen großen Schirm aufspannen, unter den verschiedene Perspektiven existieren können und sich gegenseitig befruchten, dann haben wir das Potenzial zum Durchbruch.

EN: Welche Wirkungen hat oder hatte die Forschung am IONS und anderer unkonventioneller Wissenschaftler auf den wissenschaftlichen Mainstream?

MS: Das Paradigma ändert sich, und es ist sehr interessant zu beobachten, was zum Beispiel in der Quantenphysik passiert. Dann gibt es auch diese wunderbaren Arbeiten in der Positiven Psychologie, im gesamten Gebiet der Psychoneuroimmunologie, den neu entstehenden Gebieten der Komplementär- und Alternativmedizin und der Meditationswissenschaft. Das alles sind Gebiete, an denen das Institute of Noetic Sciences seit den 1970er Jahren beteiligt ist. Das Wall Street Journal, das Time Magazin, Newsweek und andere machen daraus heute ihre Top-Schlagzeilen. Viele Wissenschaftler, die in den 60ern und 70ern aufgewachsen sind und selbst noetische Erfahrungen gemacht haben, sind inzwischen Doktoren oder Professoren, sie besetzen akademische Positionen und leiten Veränderungen ein, egal ob in Kliniken, in Schulen, in der Wirtschaft oder in Forschungslabors. Es gibt immer noch einen gewaltigen Widerstand, aber auch ein wachsendes Interesse daran, die Verbindung zwischen Geist und Materie zu verstehen und warum diese Verbindung so wichtig für unser Leben ist.

Im Hinblick auf die Mainstreamkultur hatten wir kürzlich die ungewöhnliche Chance, uns als fiktive Personen in dem außerordentlichen Roman Das verlorene Symbol von Dan Brown wiederzufinden, in welchem das Institute of Noetic Sciences eine wichtige Rolle spielt. Das ist eigentlich eine sehr postmoderne Erfahrung von miteinander verschmelzenden Gebieten: Ein Romanautor hat eine große Menge von der Forschung verwendet, die wir über Jahre hinweg erarbeitet haben, und hat daraus ein spannendes Drama gemacht und unsere Geschichte fiktiv ausgearbeitet. Jetzt denken viele Menschen über das Wort noetisch nach.

EN: Faszinierend, was mit dem Roman von Dan Brown passiert ist. Viele Wissenschaftler sagen, dass Ideen, welche sie später erforschten, ursprünglich aus Science-Fiction-Büchern stammten. Und hier scheint es genau umgekehrt zu sein. Ihre reale Forschung wurde die Grundlage für diesen Roman.

MS: Auch Dans Buch ist eine Fiktion. Zwar hat er viele unserer Forschungsergebnisse genutzt, um einige der Abenteuer der Hauptfigur zu erklären; er hat aber auch kreative Sprünge gemacht, die noch nicht durch Forschung belegt sind. Das Buch ist ein Beispiel dafür, was Sie beschrieben haben: dass viele große Fortschritte entstehen, weil die Fiktion die Vorstellungskraft dazu einlädt, über die Wissenschaft hinauszudenken. Und dann kann die Wissenschaft anfangen, darauf hinzuarbeiten.

Ich arbeite an einem Forschungsprojekt über die Achuar im ecuadorianischen Amazonasgebiet mit. Sie haben einen Brauch, Träume miteinander zu teilen. Sie glauben, dass die Seele nachts auf Reisen geht und mit Informationen über die Geist-Welt zurückkehrt und dass dieses Wissen nur nutzbar ist, wenn sie den Inhalt jedes einzelnen Traums einander mitteilen, um dann zu wissen, wie sie den Tag über leben sollen. Nehmen wir zum Beispiel das Apollo-Programm. Wir können es als kollektiven Traum verstehen: Im Jahre 1961 hatten wir auf Anregung von John F. Kennedy als ganze Gesellschaft beschlossen, innerhalb von zehn Jahren zu erreichen, dass ein Mensch auf dem Mond landet, obwohl das unmöglich schien. Wir haben gemeinsam geträumt. Wir haben es uns gemeinsam vorgestellt und etwas, das unmöglich schien, manifestierte sich. Es war die Anziehungskraft der Vision, die uns zu dieser Höchstleistung anspornte. Ich glaube, dass das Gleiche heute wieder geschehen kann, wenn wir einen Traum gemeinsam halten können, in dem es letztlich um die Erhaltung unseres Planeten geht – um das Entwickeln unserer Ganzheit als integrierte Geschöpfe, um die Fähigkeit, uns auf eine Weise zu entwickeln, die dem Leben dient. Dann können wir anfangen, über die Frage nachzudenken: Wie setzen wir das nun um?

Es gibt viele verschiedene Arten, miteinander zu träumen, die Vision des Möglichen anzustreben und diesen Traum dann mit Handlungen zu unterstützen, die schließlich, Schritt für Schritt, zur Manifestation der gemeinsamen Absicht führen. Aber ich möchte hier auch noch eine Warnung hinzufügen. Viele aktuelle populäre Filme wie z. B. „The Secret“ übertreiben, wie man mittels der Intention seine eigene Wirklichkeit erschaffen kann, sie übertreiben die Macht der Absicht, und das kann zu Leid führen. Es gibt viele Menschen, die vollkommene Gedanken denken. Es sind großartige Menschen, wundervolle, entwickelte menschliche Wesen, und dann sterben sie an Krebs. Dabei aber zu sagen, „Du hättest positiver denken sollen, dann wärest du nicht krank geworden“, macht das Leid nur schlimmer und trifft auch nicht den Kern der Sache. Die Intention ist nur ein Teil der Erklärung. Die Biologie ist auch ein Teil. Die Chemie ist ein Teil. Auch die Physik – alles muss in Betracht gezogen werden. Weil Bewusstsein und Intention vom positivistischen, materialistischen Paradigma quasi in den Dreck gezogen wurden, hat es da, glaube ich, eine Überreaktion gegeben. Wir müssen eine gesunde Balance finden.

EN: Welchen Einfluss haben diese Forschungen Ihrer Meinung nach auf die Art, wie wir denken?

MS: Die solide Wissenschaft trägt dazu bei, den noetischen Erfahrungen ein Fundament zu geben. Wir leben in einer Welt, in der alles auf Beweisen beruht. Ein großer Teil unserer Bevölkerung will mehr als den Glauben allein. Wir sind neugierig und die Wissenschaft gibt uns die Möglichkeit, das Unbekannte zu erforschen. Ich stelle mir die Wissenschaft gern als spirituelle Praxis vor, denn sie ist eine intensive Beschäftigung mit dem Mysterium, dann ein Prozess des Nachprüfens und dann ein noch tieferes Eintauchen. Die Wissenschaft kann widerlegen, was wir für wahr gehalten haben, und neue Einsichten offenbaren. Es geht also darum, dass wir einerseits wissenschaftlich belegen, was wir von unseren Traditionen wissen oder intuitiv in uns erkannt haben, und andererseits einige andere Dinge widerlegen, die nichts als Aberglaube sind. Das spannende Moment liegt für mich bei dem Punkt der Überlappung der Erkenntniswissenschaften. Wir haben die Methoden verschiedener spiritueller Weisheitstraditionen, um das Bewusstsein zu studieren, und Methoden, um eine objektive Perspektive in die Diskussion zu bringen. Es ist nicht so, dass ein Ansatz überlegen wäre. Je mehr wir uns gegenseitig austauschen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, wirklich substanzielle Durchbrüche bei der Frage zu erreichen, wer wir sind und was wir noch werden können.

EN: Was ist der eindrucksvollste Beweis, den Sie gesehen haben, der nahe legt, dass das traditionelle wissenschaftliche Paradigma die Wirklichkeit nicht akkurat erklärt?

MS: Für mich kamen die eindrucksvollsten Belege aus einem kontrollierten wissenschaftlichen Versuch, an dem ich selbst teilnahm. An dem Versuch war ich mit einer Gruppe von Studenten der Juilliard School beteiligt, das ist ein Konservatorium für Musik, Tanz und Theater in New York. Die Studenten dort sind die besten und intelligentesten. Ich wollte unbedingt herausfinden, ob es einen Zusammenhang zwischen einem hohen Grad an Kreativität und der Intuition gibt. Wir haben diese jungen Erwachsenen in ein Labor in Princeton gebracht und ein sogenanntes Ganzfeld-Experiment durchgeführt. Das ist im Grunde eine Technik, um traumähnliche Erfahrungen zu erzeugen, ohne dass jemand schläft. Dazu verdeckt man die Augen einer Person mit einer Art halbierten Tischtennisbällen und berieselt ihre Ohren mit weißem Rauschen, sodass sie ziemlich bald Traumbilder sehen, obwohl ihre Augen noch offen sind. Mit dieser Technik lassen sich Selbstbeobachtung und innere Bilder hervorrufen. Gleichzeitig ließen wir eine weitere Person in einem anderen Raum einen Videoclip ansehen, der aus einer Stichprobe von vier Videoclips ausgewählt worden war, die wiederum aus einem Pool von Hunderten von Videoclips stammten.

In ein paar von diesen Experimenten war ich die Person, die das „Senden“ übernahm. Ich sah einen Ausschnitt aus dem Film Höllentrip an, in dem der Abstieg in die Hölle gezeigt wird. Die Szene ist ganz in Rot, man sieht ein Kruzifix und den Strahlenkranz der Sonne, alles ist voller Rauch und dann öffnet und schließt eine riesige Echse ihr Maul. Ich sitze da und höre über Kopfhörer, wie die Person im Ganzfeld-Zustand, ein Juilliard-Student der Theaterwissenschaften, beschreibt, welche Bilder ihm gerade zufällig durch den Kopf gehen. Es war ein kontrollierte zufallsgesteuerte Doppel-Blind-Studie. Und ich schwöre, er fängt an, den Strahlenkranz der Sonne zu beschreiben, ein Kruzifix, „rot, rot, rot“ und dann, gerade, als ich sehe, wie diese Echse ihr Maul öffnet und schließt, sagt er: „Ich sehe eine riesige Echse, die ihr Maul öffnet und schließt.“ Am Ende des Experiments sollte er die Tischtennisbälle ablegen und bekam die vier Videoclips aus diesem Pool gezeigt. Er sollte bewerten, welches davon seinem „inneren Film“ am nächsten käme, welches am zweitnächsten, drittnächsten und am wenigsten.

So konnte er objektiv beurteilen, welches zu seiner subjektiven Erfahrung passte. Wenn kein Psi (d. h. eine hellseherische oder paranormale Fähigkeit) auftritt, dann liegt die Wahrscheinlichkeit, zufällig den richtigen Clip zu wählen, bei 25 %. Bei diesem Experiment liegt die Trefferquote für die durchschnittliche Bevölkerung bei 33 %. In der Juilliard-Gruppe hatten wir eine Erfolgsquote von 50 %. Die klassisch ausgebildeten Musiker hatten sogar eine 75-prozentige Erfolgsquote. Wir hatten also sowohl quantitative als auch qualitative Daten, die für mich überwältigend waren und noch immer Anregungen für meine weitere Arbeit liefern.

EN: Eine letzte Frage: Glauben Sie, dass Ihr Geist nach dem Tod weiterlebt?

MS: Das hängt davon ab, was Sie damit meinen. Das Fortbestehen der Persönlichkeit? Das Fortbestehen einer Energie? Ich glaube auf jeden Fall, dass ich durch meine Veröffentlichungen, durch meinen Sohn und durch die Menschen, die ich in meinem Leben berührt habe, weiterlebe. Auf dieser grundlegenden Ebene werde ich fortbestehen, denn wenn es um Bewusstsein und unsere Vorstellungen geht, leben wir ganz sicher weiter. Was darüber hinausgeht, ist nur empirisch zu beantworten – und eines Tages werde ich die Chance haben, es herauszufinden.

Erfahren Sie mehr über die bahnbrechende Bewusstseinsforschung durch das Institute of Noetic Sciences bei Noetic.org

Links:
Das Interview auf der Website von EnlightenNext

Website von EnlightenNext

WebSite in English see here…

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One Thought on “Noetic Institut – Feldforschung an den Grenzen des Bewusstseins

  1. hallo frau schlitz.
    ich bin sehr beeindruckt ovn diesem interview.durch die leute die einen nah sind.bleibt man immer am leben,auch nach dem tod.
    in den gedanken der menschen stirbt man nicht.
    ich wünsche ihnen alles gute.

    gruß anton

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